Die französische Sprache entwickelt sich im Laufe der Zeit, des Gebrauchs und der Gesellschaften immer weiter. Blicken wir auf einige bedeutende Ereignisse zurück, die ihre Geschichte geprägt haben.
Die Straßburger Eide sind das älteste noch erhaltene Schriftstück in französischer Sprache.
Alles beginnt mit einer düsteren Erbschaftsgeschichte zwischen den Enkeln Karls des Großen: Lothar I., Ludwig der Deutsche und Karl der Kahle. Die beiden letzteren beschließen, sich gegen ihren älteren Bruder zu verbünden. Um ihr Bündnis zu besiegeln, unterzeichnen sie im Februar 842 die von ihrem Cousin, dem fränkischen Chronisten Nithard, niedergeschriebenen Straßburger Eide.
Was haben diese politischen Auseinandersetzungen mit der französischen Sprache zu tun, werden Sie fragen?
Die Eide wurden in zwei Sprachen verfasst: Romanisch und Althochdeutsch, den jeweiligen Vorläufern von Französisch und Deutsch. Es ist somit das erste offizielle Dokument, das nicht in Latein, sondern in romanischer Sprache geschrieben wurde.
Die Abschrift der Eide ist in der Bibliothèque nationale de France (BnF) aufbewahrt.
Nithardus, De dissensionibus filiorum Hludovici Pii libri quatuor (1-18r). Flodoardus Remensis, Annalen (19v-46v) © Gallica BnF
Im Mittelalter und vor allem ab dem 12. Jahrhundert gewinnt das Verfassen von Gedichten in Altfranzösisch (Sprachfamilie Langue d'oïl in der nördlichen Hälfte Frankreichs) zunehmend an Bedeutung.
Nehmen wir zum Beispiel Rutebeuf. Als Minnesänger und Schriftsteller des 13. Jahrhunderts unterscheidet er sich von den Autoren seiner Zeit dadurch, dass er mit der Tradition höfischer und raffinierter Gedichte in der Langue d'oïl bricht. Sein höchst persönliches Werk vereint Theaterstücke, Biografien, lyrische und satirische Gedichte ...
Rutebeuf nimmt kein Blatt vor den Mund: Er zögert nicht, das Elend des Lebens zu thematisieren, sein eigenes Unglück zu besingen oder die Mächtigen zu kritisieren!
Seine Texte inspirieren weiterhin frankophone Künstler wie Léo Ferré, der ihn würdigt, indem er seine Verse in dem Lied Pauvre Rutebeuf verwendet: „Que sont mes amis devenus, que j'avais de si près tenus, et tant aimés, ils ont été trop clairsemés.“ („Was ist aus meinen Freunden geworden, die ich für so nahe hielt und so sehr liebte?“)
Franz I. Gemälde im Vorzimmer des Gemach des Königs, 1. Stock des Schlosses Azay-le-Rideau © Hervé Lewandowski / CMN.
Franz I. unterzeichnet im August 1539 in seiner königlichen Residenz die Verordnung von Villers-Cotterêts. Deren Artikel 110 und 111 schreiben für alle rechtlich relevanten Akte der Verwaltung und Justiz des Königreichs die französische Sprache – anstelle der lateinischen – vor!
Dieser Gesetzestext ist ein erster Meilenstein für den Aufschwung des Französischen und trägt zur politischen Einigung des Landes auf eine gemeinsame Sprache bei.
Schloss Villers-Cotterêts vor der Restaurierung, Wohnbereich, Südflügel, Fassade zum Hof © Benjamin Gavaudo / Centre des monuments nationaux
Zehn Jahre nach der Verordnung von Villers-Cotterêts schreibt der Dichter Joachim du Bellay La défense et illustration de la langue française (Verteidigung und Bereicherung der französischen Sprache). Darin verteidigt er mit Inbrunst die französische Sprache und bekundet Franz I, Beschützer der Künste und Literatur, seine Anerkennung.
Ausgewählte Werke von Joachim Du Bellay © Gallica BnF
Dieser Text gilt als „Manifest“ der Dichter der Pléiade, einer Gruppe, der neben Joachim du Bellay insbesondere Pierre de Ronsard und Jean-Antoine de Baïf angehören. Ihre Ambition: Bereichern und Perfektionieren der französischen Sprache, damit sie so „edel“ und einflussreich wie die lateinische Sprache wird!
Dank des modernen Buchdrucks können sie ihre Ideen (und die französische Sprache) in großem Umfang verbreiten.
La Deffence, et illustration de la langue francoyse © Gallica BnF
Mit dem Ziel einer nationalen sprachlichen Einheit wurde 1635 die Académie française gegründet. Die Hauptaufgabe dieser von Kardinal Richelieu gegründeten Institution ist die Vereinheitlichung und Pflege der französischen Sprache.
In Artikel XXIV ihrer Satzung heißt es: „Die Hauptaufgabe der Akademie wird darin bestehen, mit aller Sorgfalt und allem Fleiß daran zu arbeiten, unserer Sprache sichere Regeln zu geben und sie rein, eloquent und fähig zu machen, Künste und Wissenschaften zu behandeln.“
Zur Erinnerung: Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war die Rechtschreibung noch lange nicht festgelegt! Um dem abzuhelfen, stellt die Akademie Regeln auf und verfasst ein Wörterbuch, dessen erste Ausgabe 1694 veröffentlicht wird.
Die Mitglieder der Académie française schenken dem König das erste Wörterbuch, Druck, 1694 © Gallica BnF.
Im 17. und 18. Jahrhundert spricht man die französische Sprache weit über die Grenzen des Königreichs hinaus. Als Synonym für Raffinesse wird sie von den Eliten an den größten Höfen Europas gesprochen.
In seinem Essay De l'universalité de la langue française beantwortet Antoine de Rivarol drei Fragen, die die Berliner Akademie im Rahmen eines Wettbewerbs stellt: „Wodurch wurde die französische Sprache universell? Warum verdient sie dieses Vorrecht? Ist anzunehmen, dass sie es behält?“
Und er hat damit Erfolg: Zusammen mit dem deutschen Philosophen Johann Christoph Schwab gewinnt er den ersten Preis!
Wie kam es zu diesem Triumph? Der Schriftsteller geht brillant auf die Geschichte des Französischen ein und verteidigt das „Genie“ dieser Sprache. „Was nicht klar ist, ist nicht französisch“, behauptet er!
Wer spricht am Ende des 18. Jahrhunderts wirklich Französisch? Um das herauszufinden, führt Abbé Grégoire vier Jahre lang eine soziologische Untersuchung im ganzen Land durch.
Seine Ergebnisse sind aufschlussreich: Nur einer von fünf Franzosen spricht die Landessprache. Regionalsprachen und Dialekt überwiegen.
Der Literat verfasst daraufhin einen Bericht „über die Notwendigkeit und die Mittel, den Dialekt zu beseitigen und den Gebrauch der französischen Sprache allgemein zu verbreiten“ und begründet seine Ideen mit der Notwendigkeit, die Nation zu vereinen.
Porträt von Abbé Henri Grégoire, französischer Geistlicher und Politiker, Jean-Baptiste Mauzaisse, 1820.
In den Jahren 1881 und 1882 verabschiedet Jules Ferry, Minister für öffentlichen Unterricht, zwei Gesetze, die den Grundschulunterricht unentgeltlich, obligatorisch und laizistisch machen.
Der Unterricht wird ausschließlich auf Französisch abgehalten, um die Sprache im ganzen Land zu verbreiten, wie von Abbé Grégoire ein Jahrhundert zuvor gewünscht.
Schülern ist es nun untersagt, sich in Regionalsprachen auszudrücken, was zur Schwächung letzterer beiträgt. Erst mit dem Deixonne-Gesetz vom 11. Januar 1951 wird Unterricht in den Regionalsprachen Frankreichs gestattet.
Porträt von Jules Ferry, Etienne Carjat, 1870-1890
„Die Sprache der Republik ist Französisch.“ So überraschend es auch klingen mag, erst 1992 wird die französische Sprache in einem Absatz von Artikel 2 in der Verfassung verankert.
Diese Änderung erfolgt im Jahr der Ratifizierung des Vertrags von Maastricht, der die Europäische Union begründet. Die Debatten in der Nationalversammlung zeugen von dem Willen, die „Sprache Molières“ gegenüber der Sprache Shakespeares zu schützen.
„In einer Zeit, in der wir einen Vertrag ratifizieren, der über das Verschwinden der nationalen Währung zugunsten einer europäischen Währung entscheidet, ist es ein starkes und notwendiges Symbol, unsere Verbundenheit mit der Nationalsprache zu unterstreichen“, erklärt Alain Lamassoure, Abgeordneter des Departements Pyrénées-Atlantiques.
Zwei Jahre nach Aufnahme der französischen Sprache in die Verfassung unterstreicht der damalige Kulturminister Jacques Toubon die Notwendigkeit, die französische Sprache vor Anglizismen zu schützen.
In dem als Toubon-Gesetz bekannten Gesetz vom 4. August 1994 wird erklärt, dass Französisch „die Sprache der Bildung, der Arbeit, des Handels und der öffentlichen Dienstleistungen“ sowie ein „grundlegendes Element der Persönlichkeit und des Erbes Frankreichs“ ist.
Es schreibt vor, dass die Verwendung von Französisch in Wort und Schrift in allen Unternehmen mit Sitz in Frankreich obligatorisch ist. Diese Verpflichtung betrifft sowohl Arbeitsverträge als auch Gebrauchsanweisungen für Produkte.
Möchten Sie mehr über die französische Sprache erfahren? Bis zum Kennenlernen des ständigen Besichtigungsrundgangs bei Eröffnung der Cité internationale de la langue française können Sie bereits in das Projekt dieses einzigartigen Orts eintauchen.